Frauenbewegung - Seite 3 und Literatur
Formen des Protests
Beispielhaft für Proteste gegen restriktive Handhabung des Schwangerschaftsabbruchs waren Kampagnen wie die Unterschriftenaktion "Ich habe abgetrieben" im "Stern" vom Juni 1971. In den ersten Wochen nach dem Erscheinen wurde der Text von mehreren tausend Frauen unterschrieben und auch Männer solidarisierten sich. So bekannten 230 Ärzte und Professoren "Ich war Komplize einer Abtreibung". Mit Parolen wie "Mein Bauch gehört mir" forderten die Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht und die ersatzlose Streichung des §218 StGB ein. Im Zuge dieser Proteste entstanden so zahlreiche Gruppierungen und Aktionsgruppen, dass mit Recht von einer breiten Bewegung gesprochen werden kann. Im Juni 1971 fand die erste Delegiertenkonferenz aller am Kampf gegen den § 218 interessierten Gruppen in Düsseldorf statt, die einen Monat später in Frankfurt fortgesetzt wurde. Die "Aktion 218" wollte sich als loser Zusammenschluss "reiner Frauengruppen" verstehen. Im März 1972 rief sie den ersten Bundes-Frauen-Kongress in Frankfurt aus.
In der Folge der §218-Aktionen wurden seit 1973 zahlreiche Frauenzentren als Versammlungsorte gegründet, überregionale Konferenzen zu Frauenthemen abgehalten, und ein feministisches Bewusstsein begann sich in der Bewegung durchzusetzen. Immer deutlicher wurde der Wunsch, den Einfluss und die Position der Frau im gesellschaftlichen Leben zu stärken. Dies schlug sich zum Beispiel in der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit nieder. Was als große Einheit begann, differenzierte sich ab Mitte der 1970er Jahre in zahlreiche Kleingruppen, bewusst ohne Dachverband, die mit zahlreichen Projekten und Initiativen für Frauenrechte und gegen die alltägliche berufliche sowie gesellschaftliche Diskriminierung der Frau eintraten. Ein Aktionsfeld war die Schaffung und Aufrechterhaltung von Kinderläden, um vor allem Mütter zu entlasten. Eine der spektakulärsten Aktionen in diesem Bereich war sicherlich das "Kinderkackeattentat" auf die Berliner Stern-Redaktion.
Weitere Erfolge konnte die Frauenbewegung 1976 mit der Gründung des ersten Frauenhauses für misshandelte Frauen in West-Berlin verbuchen. Ein anderes wichtiges Projektfeld war das Problem der Vergewaltigung. Da viele Frauen aus Scham und Angst eine Vergewaltigung nicht anzuzeigen wagen, boten nunmehr verschiedene Frauengruppen Beratung, Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Frauen an. Die Diskussion über sexuelle Gewalt gegen Frauen hat dieses früher tabuisierte Problem so stark öffentlich werden lassen, dass endlich auch die Frage nach einem rechtlichen Schutz der Ehefrauen gegen sexuelle Vergewaltigung in der Ehe gestellt werden konnte.
1974 wurde in München der erste Frauenverlag gegründet und etwa ein Jahr später der erste Frauenbuchladen eröffnet. Zahlreiche Untersuchungen zur Stellung der Frau in der Gesellschaft wurden publiziert, Zeitschriften wurden gegründet. Am bekanntesten ist nach wie vor die Zeitschrift "EMMA", die Alice Schwarzer im Februar 1977 gründete. Von Schwarzer stammt auch das 1975 erschienene Buch "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen". Darin versuchte Schwarzer die Mechanismen des "patriarchalischen Prinzips" offen zu legen und machte die tabuisierte weibliche Sexualität zum öffentlichen Thema. Auch auf wissenschaftlichem Gebiet wurden verschiedene Projekte initiiert. Besondere Bedeutung besaß die "Sommeruniversität für Frauen", welche zum ersten mal 1976 in Berlin durchgeführt wurde, und an der jedes Jahr mehrere Tausend Frauen, nicht nur Studentinnen, teilnahmen. Unter anderem wurden folgende Themen behandelt: Frauen und Wissenschaft (1976), Frauen als unbezahlte und bezahlte Arbeitskräfte (1977), Frauen und Mütter (1978).
Man kann die Frauenprojekte der 70er Jahre in drei große Gruppen unterteilen:
Die Zahl der Sympathisantinnen für die Neue Frauenbewegung stieg, wenn es auch immer Gegner der Emanzipationsbewegung gab und gibt. Diese rekrutieren sich nicht nur aus den Reihen der Männer, sondern es waren stets auch Frauen, die durch die neuen feministischen Ideen ihr Dasein und Selbstverständnis und damit ihr Selbstbewusstsein in Frage gestellt sehen und deshalb teils absichtlich , teils unbewusst Veränderungen zu verhindern trachten .