Grenzen des Wachstums - Seite 2
"The Limit of Growth": Kernaussage und Vorgehensweise
Die Kernaussage von Meadows Berichts lässt sich dahin zusammenfassen, dass die absolute Grenze des Wachstums bald erreicht sei, was zu Lebensmittelknappheit und Rohstoffmangel und letztendlich zu einem rapiden Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazitäten führen werde. Nur sofortige Maßnahmen könnten den nötigen, so genannten Gleichgewichtszustand herbeiführen und diese möglichen Zukunftsszenarien abwenden. Der Club of Rome fordere deshalb neue Denkgewohnheiten, die eine grundsätzliche Änderung menschlichen Verhaltens und die Schaffung einer neuen gesellschaftlichen Gesamtstruktur bewirken könnten. Für solche umfassenden Veränderungen bedürfe es eines großen längerfristigen Ziels für alle.
Zu seinen Ergebnissen war das MIT durch ein Vorgehen in drei Schritten gelangt: Zunächst wurde in einer Systemanalyse ein Weltmodell anhand von fünf makroökonomischen Größen (Bevölkerung, Kapital, Nahrung, Rohstoffe, Umweltverschmutzung) konstruiert. Dieses Modell wurde mit quantitativen weltweit erfassten Daten gefüttert und errechnete schließlich Entwicklungsmöglichkeiten des Weltmodells unter verschiedenen Basisannahmen. Es handelte sich um eine sehr technokratische Herangehensweise, die die für die 1960er Jahre typische Faszination für Exaktheit und Nachprüfbarkeit von formalen mathematischen Formulierungen widerspiegelt. Mit den Ergebnissen der Computerstudie konnten gerade deshalb konkrete Forderungen verbunden werden, weil der Glaube an wissenschaftliche Planbarkeit und politische Gestaltbarkeit stark verbreitet war. Computertechnik und kybernetische Modelle stellten eine Autorität dar. Der Glaube an diese Autoritäten wurde jedoch ebenso wie der damit verbundene Fortschrittsoptimismus in den folgenden Jahren schwer erschüttert, ironischerweise nicht zuletzt durch Studien wie diese.
Der Erfolg des Berichts: umweltpolitischer Zeitgeist um 1973
Der MIT-Bericht war kein so einzigartiges Phänomen, wie man im Rückblick vermuten könnte. Man kann ihn vielmehr als Höhepunkt einer ganzen Reihe vorhergehender, stark rezipierter populärwissenschaftlicher Bücher, zuerst angloamerikanischer, später auch deutscher Publizisten einordnen, die sich mit apokalyptischen Zukunftsvisionen beschäftigten. Ebenso begann bereits Anfang der 1970er Jahre Umweltschutz in politischen Institutionen und Bewegungen einen neuen gesellschaftlichen Stellenwert zu erhalten. Der Begriff "Umwelt" hatte sich in diesem Diskurs innerhalb kürzester Zeit durchgesetzt. Ohne diese "Vorbereitung" sind die breite Rezeption und die anschließende rege Debatte über den MIT-Bericht nicht zu verstehen. Gründe für seine hohe Resonanz lagen neben der ansprechenden Aufbereitung und dem erfolgreichen Marketing also vor allem in seiner Positionierung am Knotenpunkt verschiedener zeitgenössischer Diskurse: ökologischer Apokalypsenvorstellung, Streben nach gesellschaftlicher Neuausrichtung in Sachen Umwelt und Wachstum und schließlich die Planungs- und Machbarkeitseuphorie der vorhergehenden Jahrzehnte.
Kai Hünemörder versteht den Bericht als "Koordinatennetz": Die Computersimulationen lieferten den zuvor fehlenden Erklärungsansatz. Die öffentliche Reaktion auf die Studie ist ohne einen Blick auf den generellen Wandel der Einstellungen der Menschen zu Umwelt und Zukunftsforschung nicht zu verstehen. Obwohl die Forscher des MIT mehrfach darauf hinwiesen, dass ihre Computerberechnungen nicht als reale Voraussagen begriffen werden sollten, sondern lediglich eine Analyse über die Wechselwirkung herrschender Faktoren in globalen Entwicklungen darstellten, wurde die Studie in der Öffentlichkeit als die lang erwartete fundierte Zukunftsvorhersage aufgenommen. Die plastischen Rechenbeispiele verhalfen vielen zu einer anschaulichen Vorstellung von exponentiellem Wachstum. Mit der Benennung des Wachstums als Grundübel der Umweltproblematik wandelte sich die Umweltdebatte schnell zur Wachstumsdebatte. Forderungen nach Umweltschutz wurden zu Forderungen nach Systemwandel. Der Bericht "The Limit of Growth" erlangte schlagartige Berühmtheit. Zahlreiche Publikationen, die auf ihn Bezug nahmen, aber auch der ihm verliehene Friedenspreis des deutschen Buchhandels sind Zeichen für eine weltweite und lang anhaltende Auseinandersetzung mit seinen Ergebnissen. Selbst KritikerInnen taten den Bericht nicht als unerheblich ab, sondern sahen ihn meist als Warnung. Dank seiner Einprägsamkeit in Visualisierung, Sprache und Darstellung wurden die Inhalte des Berichts schnell "bildungsbürgerliches Grundwissen", dessen Bilder und Metaphern in die zeitgenössischen politischen Diskurse eingingen.
Kritik an "Die Grenzen des Wachstums"
Trotz seines allgemeinen Erfolgs war "Die Grenzen des Wachstums" nicht unumstritten Kritik kam aus mehreren, unterschiedlichen Richtungen: Kritiker aus der Wirtschaft (z.B. Samuelson) bemängelten die geringe Datenmenge, hielten die ökonomischen Annahmen für fehlerhaft und meinten, dass der Bericht das Potential industrieller Innovation unterschätze. Dagegen vermisste Kritik von linker Seite (z.B. Enzensberger) die Berücksichtigung von politischen und sozialen Dimensionen. Enzensberger befürchtete sogar, dass die Umweltbewegung von den "Monopolen" als Starthilfe für neue Wachstumsindustrien missbraucht würde. Außerdem würden die betonte Globalisierung und die "illusionistischen" Ziele des Berichts zu einer Entpolitisierung der Ökologie führen. Der Bericht schürte außerdem Ängste von Entwicklungsländern, dass die Forderung nach Wachstumsbegrenzung nur einen Versuch darstelle, den Status quo zu erhalten und so eine Gefahr für die eigenen Entwicklungschancen bilde.